Freiheit und Einheit – fehlt da etwas?

Werner Hager, 10.11.2014
25 Jahre nach Fall der Mauer besteht offenbar ein großes Bedürfnis, die DDR als “Unrechtsstaat” zu bezeichnen. Unter Vernachlässigung der Tatsache, dass “Rechtsstaat” der Gegenbegriff zu “Polizeistaat” ist und nicht zu “Unrechtsstaat”, lässt sich auch seht leicht nachweisen, dass in der DDR Recht und Rechtswirklichkeit häufig sehr willkürlich aussahen.
Wesentlicher als die ganz besonders deutsche Erfindung des “Rechtsstaates” dürfte die ältere liberale Tradition der “Herrschaft des Rechts” (rule of law) sein.
Bezeichnend ist es, wenn in dem Titel der Einheitsfeierlichkeiten aus dem Dreiklang gerade das Recht fehlt. Dann stellt sich auch die Frage, wessen Recht denn nach der Einheit gelten soll?

Fundamentale liberale Grundrechte wie politische Rechte und Freizügigkeit sind mir auch als Linkem ausgesprochen wichtig. Ihre Einschränkung verbinde ich aber mit den Radikalenerlassen, der Justizfarce gegenüber der RAF und zu meinen eigenen Zeiten der Echelon-Affairen, der Einschränkung der Freizügigkeit im Schengener Abkommen bei NATO-Gipfeln, beim G8-Gipfel in Heiligendamm und am drastischsten mit der Festung Europa.
Der Mitte der 90er offen wieder auftretende Nationalismus, der Fall aller zivilisatorischen Lehren aus dem NS (Beschränkung der Polizei auf die Länder, militärische Enthaltsamkeit, Vermeidung des Aufbaus eines Generalstabes, Eingrenzung der deutschen Dominanz in Europa, Bedeutung des Asylrechtes) und die Abkehr von einer Liberalisierung des Strafrechtes, die ein großes Verdienst der sozialliberalen Koalition war, führt zu einem sehr negativen Verhältnis zur Wiedervereinigung, ohne dass ich das System der DDR daher für gut befinden muss.
Dass Grenzen fallen, gefällt mir prinzipiell sehr gut. Nur stellt sich die Frage, ob das Fallen einer Grenzen ein Schritt zu keinen Grenzen oder zu einem System einer Festungswelt darstellt. Diesen Zusammenhang hat https://www.politicalbeauty.de/ hergestellt und damit einen medialen Gegenpol zu den omnipräsenten Einheitsfeierlichkeiten hergestellt.
Die CDU/CSU nutzt die Stunde, gegen die Partei Die Linke zu poltern, ihr immer noch eine Nähe zur DDR vorzuweisen, fährt dazu Biermann auf, dessen Ausbürgerung durchaus zu vielen Austritten auch aus der DKP geführt hat. Mittlerweile hängt Biermann aber im CSU-Umfeld.
In der politischen Elite hat sich aber doch einiges gebessert. Katja Kipping hat mehr mit Grünen als mit Honnecker zu tun und auch Angela Merkel ist nicht mit Strauss vergleichbar. Die deutsche Rolle in der Welt hingegen ist unangenehmer geworden als die jeweilige Schaufensterrollen der beiden deutschen Staaten im Blockkonflikt.
Insbesondere fehlt die politische Alternative zu mehr deutschem Wesen und europäischem Festungscharakter. Ein anderes Europa für eine andere Welt.

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