Autorinnenpapier Ursula Hertel-Lenz, 16.3.2022
in seiner Stellungnahme vom 13.3.2022 Legt die Waffen nieder, beendet diesen mörderischen Krieg! Grüne Linke (gruene-linke.de) greift Karl-Wilhelm Koch das wichtige Thema eines möglichen Atomkriegs auf:
“Droht ein Atomkrieg?”
“Diese Frage wird von den Befürworter*innen der Waffenlieferungen und der Kriegsverlängerung gern weggedrückt. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage überfordert, weil jede*r die Antwort kennt: JA! In der finalen Konsequenz droht in der Tat erstmalig nach dem Ende des Kalten Krieges wieder der 3. Weltkrieg NATO gegen Russland, und dieser Krieg würde mit großer Wahrscheinlichkeit atomar geführt werden.”
Ich habe allerdings Zweifel, dass die Annahme, dass “jede*r die Antwort kennt”, bei vielen – mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges – mehr bedeutet als abstraktes Wissen. Die Katastrophe von Tschernobyl ist „lange her“, Fukushima ist „weit weg“. Und den Begriff “nuklearer Winter” z.B. haben vermutlich viele noch nie gehört.
In vielen Diskussionen wird ausgeblendet, dass Putin, um eine drohende Niederlage zu verhindern, Atomwaffen einsetzen könnte und dass der mutige Widerstand und das Durchhaltevermögen der Ukrainer*innen am Ende nicht erfolgreich sein könnten.
Immer wieder werden in Talk-Runden oder in Interviews von Journalist*innen Fragen gestellt wie: “Müssen wir also tatenlos zusehen, wie die ukrainischen Städte zerstört werden?” Gemeint ist damit: Müsste die Nato nicht doch eine Flugverbotszone einrichten? Müsste die Nato nicht doch militärisch eingreifen, d.h. direkt zur Kriegspartei werden? –
Vielleicht ist es der Unterschied zwischen “Wissen” und “Glauben”, der dazu führt, dass die Gefahr einer atomaren Eskalation in der öffentlichen Debatte nicht angemessen einbezogen wird.
Auch die verheerenden Folgen für die Ukraine durch noch stärkere Bombardierungen und weitere Einkreisung der Städte bei einer Verlängerung des Krieges um Wochen, Monate … werden kaum thematisiert. Vermutlich aus Sorge, der mutige Kampf der Ukrainer*innen könnte dadurch geschwächt werden.
Bisher wird die Frage nach möglichen Bedingungen für einen Waffenstillstand und für einen Frieden durch Verhandlungen in der Öffentlichkeit kaum diskutiert und auch in grünen Diskussionen selten aufgeworfen. Dabei ist die Perspektive eines Ausstiegs aus der militärischen Logik dringend erforderlich. Denn der Druck auf die Nato, militärisch einzugreifen, könnte immer größer werden, wenn Russland die Luftangriffe weiter verstärkt und kein Waffenstillstand in Sicht ist.
Der Friedensforscher Ulrich Kühn warnt vor Rufen nach der Nato:
„[…] wird […] im Westen der Druck zunehmen, je mehr Bilder von Gräueltaten in Kiew wir sehen werden. Bevölkerungen und Medien werden ihren Politikern sagen: „Macht doch irgendetwas. Und vor diesem „Irgendetwas“ habe ich als Konfliktforscher Angst.
Rufe nach einer Flugverbotszone sind zum Beispiel höchst gefährlich. Bisher wurden sie zum Glück auch auf höchster Ebene abgelehnt, weil das hieße, dass Nato-Truppen und russische Truppen in einen heißen konventionellen Krieg eintreten würden. Sobald der da ist, sind wir nur noch ein oder zwei Schritte vom Nuklearkrieg entfernt.“ Waffenexperte über Russlands Aggression: „Das wäre der völlige Wahnsinn“ – taz.de
In den letzten Tagen scheinen die Verhandlungen konkreter zu werden, obwohl die russischen Angriffe unvermindert weitergehen.
tagesschau.de über die Verhandlungen:
Russisch-ukrainische Gespräche: Kiew will feste Sicherheitsgarantien | tagesschau.de Stand: 16.03.2022 16:22 Uhr
“Die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew sind zäh, doch sie gehen weiter. Kiew unterstreicht seine Forderung nach Sicherheitsgarantien. Eine Neutralität nach schwedischem Vorbild – wie von Moskau gefordert – lehnt die Ukraine ab.
Die Kiewer Führung hat russischen Äußerungen zu einer möglichen Neutralität der Ukraine nach schwedischem Vorbild widersprochen. Was die Ukraine brauche, sei “ein mächtiger Pool an Unterstützern mit klar festgeschriebenen Sicherheitsgarantien”, schrieb Präsidentenberater Mychajlo Poldoljak auf Telegram. […]“
Im Folgenden verschiedene Positionen zu Verhandlungen (bzw. die Warnung vor einer globalen Katastrophe):
Im Video: ARD-Brennpunkt: Krieg gegen die Ukraine | tagesschau.de vom 13.3.22 äußert sich Wolfgang Richter (SWP) auf die Frage nach einer möglichen “Exitstrategie”: man sehe, dass auf beiden Seiten “Maximalpositionen” aufgegeben würden (ab Min. 12.44; das gesamte Interview ab Min. 9).
Jeffrey D. Sachs zufolge sollte die Frage der ukrainischen Neutralität thematisiert werden:
„Wieder andere argumentieren […], dass Putins lautstarker Widerstand gegen die NATO-Erweiterung – und gegen die politische Einmischung der USA in die Ukraine (einschließlich ihrer Unterstützung des Aufstands gegen den prorussischen Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch im Jahr 2014) – echt ist.”
Es ist an der Zeit, diesen Vorschlag zu testen. Was, wenn die ukrainische Neutralität wirklich der Schlüssel zum Frieden ist? Diplomatie zu betreiben ist keine Beschwichtigung; es ist Klugheit, und es könnte die Ukraine und die Welt vor einer ungemilderten Katastrophe bewahren.
George Soros warnt vor einem Dritten Weltkrieg:
“Nachdem er vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping grünes Licht erhalten hatte, begann der russische Präsident Wladimir Putin seinen Krieg in der Ukraine, um das alte russische Reich zurückzuerobern. Aber beide Führer scheinen die Situation falsch eingeschätzt zu haben, was die Aussicht auf eine globale Katastrophe erhöht – es sei denn, sie werden von der Macht entfernt.“
Tobias Debiel umreißt Gemeinsame Sicherheit in Europa:
“Es lohnt sich, über ein Paket nachzudenken, das Gemeinsame Sicherheit neu definiert. Eckpunkte sind durchaus greifbar: ein Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine im Gegenzug zu einem NATO-Aufnahmemoratorium; ein informelles Format, das in Analogie zur OSZE die künftige Sicherheitsarchitektur Europas berät; kein Abbruch diplomatischer Beziehungen; Verzicht auf scharfmacherische und demütigende Rhetorik.
Hilft uns das weiter, den Ukraine-Krieg zu beenden? Vielleicht nicht unmittelbar. Aber die Kunst der Diplomatie ist es, den nächsten Schritt zu denken und einzuleiten, auch wenn er im Moment der Zuspitzung aussichtslos erscheint. Den Versuch zu wagen, das ist der verantwortungsethische Imperativ, der sich aus einer Friedenslogik ergibt.”
Andreas Zumach schreibt über Möglichkeiten für eine künftige Friedensordnung
und auch über langfristige Perspektiven für „unsere(n) gemeinsamen eurasischen Kontinent“: “Unverzichtbar ist zumindest auch ein Moratorium der Nato mit Blick auf eine Aufnahme der Ukraine und weiterer Staaten. Stattdessen sollte den Ukrainern eine beschleunigte Perspektive in der Europäischen Union angeboten werden. […]
Für eine künftige Friedensordnung müssen auch einvernehmliche Verfahren vereinbart werden – etwa international organisierte und überwachte Abstimmungen, die zu einer Rückgabe der Krim und der Donbass-Provinzen sowie zu einem Abzug aller russischen Truppen aus den abtrünnigen Provinzen Georgiens und Moldawiens führen, verbunden mit einem Autonomiestatus für die umstrittenen Gebiete.
Und schließlich gilt es auch in diesem Fall den größten Kollateralschaden zu vermeiden, den Kriege und internationale Krisen in den meisten Fällen mit sich bringen. Sie bewirken nämlich, dass die großen, ja existenziellen Probleme in den Hintergrund treten, die die ganze Welt betreffen und nur einvernehmlich und kooperativ zu lösen sind.
Dringend erforderlich ist daher eine langfristig angelegte und klimafreundliche Energiepartnerschaft mit Russland – etwa durch die Produktion von grünem Wasserstoff in Russland, der durch die bestehenden Pipelines nach Westeuropa exportiert werden könnte.
Das wäre auch notwendig, um die fatale Abhängigkeit der russischen Volkswirtschaft von der Exploration und dem Verkauf fossiler Energien in den nächsten 20 Jahren deutlich zu reduzieren. Ansonsten wird Russland und werden wir alle auf unserem gemeinsamen eurasischen Kontinent die Pariser Klimaziele krachend verfehlen.”
Putins Krieg, Russlands Krise (monde-diplomatique.de)
Insbesondere die Position Zumachs bietet viele Ansatzpunkte für die weitere Diskussion.
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