Hanau zum xten Mal
eine mehr fachliche Stellungnahme


Die Lieferung der Hanauer MOX-Fabrik nach Rußland ist auf jeden Fall ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der dortigen Atomindustrie. Rußland besitzt 7 AKWs des Typs WWER 1000, die mit MOX-Brennelementen arbeiten. Der Fortbestand dieser Anlagen wird also durch die Hanauer Fabrik gestützt. Mehr noch: die Jahreskapazität der Anlage, in die "Hanau" eingebaut werden soll, ist auf die "Vermoxung" von 4 Tonnen Plutonium angelegt. Die 7 WWER-Reaktoren in Rußland benötigen aber nur insgesamt Brennelemente, die pro Jahr einen Gesamtanteil von 2 Tonnen Pu haben. Wir müssen also annehmen, daß Rußland die Anlage entweder nutzt, um weitere AKWs dieses Typs zu bauen oder aber MOX-Brennelemente exportiert.

Die Zeichen, die mit einem Export der Hanau-Fabrik gesetzt werden, weisen also nicht nur auf Erhaltung, sondern auf den Ausbau der russischen Atomwirtschaft. Eine Regierung, die erklärt, im eigenen Land die Atomkraftnutzung zu beenden, wird es sehr schwer haben, diesen Widerspruch zu rechtfertigen. Die Frage der atompolitischen Glaubwürdigkeit drängt sich geradezu auf. Zusätzlich fatal ist, daß es derselben Regierungskonstellation gelang, die Anlagen in Hanau während der 90er Jahre mit sicherheitstechnischen Argumenten zu schließen. Dieselben Argumente zählen nun nicht, wenn dieselbe Fabrik in Rußland aufgebaut wird. Zudem gilt der Ort Majak, wo die Fabrik stehen und arbeiten soll, als die am schlimmsten radioaktiv verseuchte Gegend der Erde.

Wenn beispielsweise Greenpeace-Fachleute der Bundesregierung, sollte sie dem Export grünes Licht geben, "pure Heuchelei und Ökodumping in seiner übelsten Form" (FR, 21.06. 00) vorhalten, können wir die scharfe Polemik als solche vielleicht zurückweisen. Gegen den sachlichen Kern des Vorwurfs zu argumentieren, fällt hingegen ziemlich schwer..

Im übrigen ist die WWER 1000-Linie, die sich der MOX-Brennstäbe bedient, eine Anlage, der von westlichen ExpertInnen eine besondere Gefährlichkeit bescheinigt wurde. Die DDR jedenfalls hat noch 1990, gemeinsam mit dem Bonner Umweltministerium, eine sofortiges Ende des WWER-Reaktors beschlossen, der bei Stendal in Bau war. Was die CDU-Minister für unakzeptabel an der Elbe erachteten, kann doch von Grünen Ministern jetzt nicht als tolerabler Standard in Rußland dargestellt werden.

Bleiben die sicherheitspolitischen Argumente. Hier ist zunächst mit einer Legende aufzuräumen, die in der Presse allenthalben zu lesen ist: Das Plutonium werde mit den MOX-Elementen "verbrannt". Tatsächlich ändert sich die Menge an Plutonium durch den Kernspaltungsprozeß im AKW kaum. Teilweise wird das Element aufgespalten, teilweise durch Verwandlung von U 238in PU 239 neu gebildet. Das Plutonium ist in ähnlicher Menge in "frischen" wie in abgebrannten Brennelementen vorhanden, allerdings aus abgebrannten schwieriger in reiner Form zu gewinnen.

Rußland verfügt jedoch über 2 zivile WAAs ( Tscheljabinsk und Krasnojarsk) und eine militärische WAA (Tomsk), mit denen sich das Plutonium auch aus "verbrauchtem" MOX leicht zurückgewinnen läßt. Allein Tscheljabinsk hat eine Jahreskapazität von 4300 Jahrestonnen, damit über die Möglichkeit, maximal 20 Tonnen Plutonium im Jahr allein aus "MOX-Elementen herauszulösen. Krasnojarsk ist eine noch größere Neuanlöage, die 1998 in Betrieb gehen sollte. Ob das geschehen ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist klar, daß der Kreislauf einer militärischen Verwendung des Plutoniums bei Vermoxung in Rußland sofort wieder geschlossen werden kann. Diese Tatsache wird in der offiziellen Argumentation immer verschwiegen.

Aus ungenutzten MOX-Elementen ist die Herauslösung von Plutonium weitaus leichter, dazu bedarf es nicht einmal der WAA-Technik. Diejenigen Vermischungen von Pu, die dessen Herauslösung mit Abstand am schwierigsten macht, sind eindeutig die Verglasung und die "Keramisierung": Eine Vermischung des Pu mit anderen radioaktiven Stoffen und in Glas bzw. Keramik. Das entspricht dem vorgeschlagenen Weg, das waffenfähige Plutonium formal endlagerfähig zu machen. Auch aus sicherheitspolitischer Sicht ist das eindeutig die beste Option. Außerdem empfiehlt es sich für jedes Land, das sich über die Entsorgung hochradioaktiven Atommülls Gedanken machten muß, zügig die Technik der Verglasung oder der Keramisierung zu entwickeln.

Hartwig Berger
01.09. 00

Hartwig Berger, MdA Berlin, Tel.: 030-23252411, -3131730

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