zum Gutachten

13.08.2002

Landesregierung Schleswig-Holstein
Ministerium für Finanzen und Energie:

Information

Strahlenbiologisches Gutachten

Die Beantwortung der Frage nach einer möglichen Strahlenverursachung der Leukämieerkrankungen von Kindern in der Elbmarsch rund um die Atomanlagen von Krümmel und der GKSS hat im Lauf der 90er Jahre eine Reihe von Wissenschaftlern der verschiedensten Gebiete beschäftigt. Die Landesregierung war im Jahre 1996 - nach 5 jähriger ergebnisloser Ursachenforschung - der Auffassung, einer Lösung des Problems durch Vergabe eines strahlenbiologischen Gutachtens näher zu kommen. Im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und Bündnis90/Die Grünen aus dem Jahr 1996 heißt es hierzu:

"Zu der Frage, ob durch die Strahlenbelastung aus dem Betrieb des Kernkraftwerks Krümmel in der Umgebung ein Ursachenzusammenhang mit Leukämieerkrankungen ausgeschlossen werden kann, wird die Landesregierung ein strahlenbiologisches Gutachten vergeben."

Das Ministerium für Finanzen und Energie beauftragte 1997 Dr. habil. A.F.G. Dr. Stevenson mit der Erstellung eines strahlenbiologischen Gutachtens, wobei die Beantwortung der folgenden Fragen im Vordergrund stehen sollte:

1. Werden bei dem in der Bundesrepublik und speziell beim Kernkraftwerk Krümmel (KKK) angewendeten Schutzkonzept (Begrenzung bestimmter Abgaben radioaktiver Stoffe durch verschiedene Grenzwerte - siehe Genehmigung KKK) wissenschaftliche Erkenntnisse über
  1.1. die Entstehung und Abgabe radioaktiver Stoffe (in KKW)
  1.2. die Ausbreitung radioaktiver Stoffe
  1.3. die Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Körper
  1.4.

die Wirkung radioaktiver Stoffe im Körper

fehlgewichtet oder negiert, mit der Folge, dass

   

a)

die beobachtete Kinderleukämiehäufung in der Elbmarsch durch die genehmigten bzw. gemessenen Abgaben radioaktiver Stoffe (KKK, GKSS) erklärt werden kann?
    b) ein zuverlässiger Schutz vor - stochastischen - Strahlenschäden (Leukämie, Krebs) durch den bestimmungsgemäßen Betrieb von KKW nicht gegeben ist?
      
2.

Ist der in der Elbmarsch beobachtete Leukämietyp ALL (akute lymphatische Leukämie) als Folge von Strahlenexposition festgestellt worden?

Die Begründetheit der Position

  2.1. der RERF (Radiation Effects Research Foundation), nach Atombombenabwurf wurden vermehrt AML (akute myeloische Leukämie) und ALL beobachtet;
  2.2. von Prof. Löffler/Prof. Gaßmann, nach medizinischer Bestrahlung wurden nahezu ausschließlich AML beobachtet,
 

ist im Detail zu untersuchen.

Im Ergebnis soll damit der Expertenstreit,

  - ob die ALL bei Kindern durch Strahlung (ggf. in welchem Dosisbereich?) ausgelöst werden kann und
  - in welchem Verhältnis ALL und AML stehen,
  entschieden werden.
    
3.

Welche Strahlendosis muss vorgelegen haben, um die beobachtete Anzahl der Leukämien zu induzieren?

Insgesamt waren 27 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit 24 Einzelbeiträgen beteiligt. Die Aufgabe des Gutachters Dr. Stevenson war, den aus den Einzelbeiträgen hervorgehenden Stand des Wissens zum Thema zusammenzufassen und hieraus die Antworten auf die Hauptfragestellungen des Gutachtens abzuleiten.

Nach Prüfung des strahlenbiologischen Gutachtens kommt MFE zu folgendem Schluss:

  1. Beim angewendeten Schutzkonzept für das Kernkraftwerk Krümmel (KKK) wurden wissenschaftliche Erkenntnisse über
    1.1. die Entstehung und Abgabe radioaktiver Stoffe (in KKW)
    1.2. die Ausbreitung radioaktiver Stoffe
    1.3. die Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Körper
    1.4. die Wirkung radioaktiver Stoffe im Körper
    weder derartig fehlgewichtet noch negiert, dass die zu Grunde gelegte Strahlendosis von 0,04 mSv pro Jahr für die Bevölkerung (Dosis, die mit den Ableitungsgrenzwerten der Betriebsgenehmigung korrespondiert) und für den gesetzlichen Grenzwert von 0,3 mSv pro Jahr überschritten worden sein könnte.
    a) Die beobachtete Kinderleukämiehäufung in der Elbmarsch kann daher durch die genehmigten bzw. gemessenen Abgaben radioaktiver Stoffe (KKK, GKSS) nicht erklärt werden.
    b) Ein zuverlässiger Schutz vor - stochastischen - Strahlenschäden (Leukämie, Krebs) durch den bestimmungsgemäßen Betrieb von KKW ist durch die - gemäß gesellschaftlicher Übereinkunft - gesetzlich festgelegten Grenzwerte gegeben, ein vollständiger Schutz ist aufgrund der Spezifik der Strahlenwirkung nicht möglich.
  2.

Der in der Elbmarsch beobachtete Leukämietyp ALL (akute lymphatische Leukämie) wird von namhaften Wissenschaftlern als Folge von Strahlenexposition genannt

    2.1. Die Position der RERF (Radiation Effects Research Foundation), nach Atombombenabwurf seien vermehrt AML (akute myeloische Leukämie) und ALL beobachtet worden, ist daher aus Sicht des MFE begründet;
    2.2. Die Position von Prof. Löffler/Prof. Gaßmann, nach medizinischer Bestrahlung seien nahezu ausschließlich AML beobachtet worden, wird durch das strahlenbiologische Gutachten nicht widerlegt.
     
     

Im Ergebnis konnte damit der Expertenstreit,
- ob die ALL bei Kindern durch Strahlung ausgelöst werden kann und
- in welchem Verhältnis ALL und AML stehen,
im Rahmen des strahlenbiologischen Gutachtens nicht in letzter Konsequenz geklärt werden. Daher geht MFE künftig davon aus, dass die in der Elbmarsch dominierende Form der Leukämie (die ALL) grundsätzlich durch Strahlung verursacht werden kann.

  3. Auf der Basis der Beiträge des strahlenbiologischen Gutachtens hätte eine Strahlendosis in der Größenordnung deutlich über 50 mSv pro Person und Jahr vorgelegen haben müssen, um die beobachtete Anzahl der Leukämien hervorzurufen.
  4. Unter Berücksichtigung aller Beiträge des strahlenbiologischen Gutachtens in Verbindung mit den Ergebnissen des kürzlich vorgestellten Anlagengutachtens (kein ungewöhnliches Emissionsverhalten der Anlage KKK) geht MFE davon aus, dass es keine Hinweise gibt, die auf eine Verursachung der Häufung von Kinderleukämiefällen in der Elbmarsch durch die kerntechnische Anlage KKK schließen lassen.
Dies ist in Übereinstimmung mit Ergebnissen, von auf Empfehlung der Leukämiekommission des Landes Schleswig-Holstein bzw. der Landesregierung durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen
       

Absender: Ministerium für Finanzen und Energie
Kontakt: pressestelle@fimi.landsh.de

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