übersetzt von Bernd Frieboese

zur Originalfassung (englisch)

OFFENER BRIEF AN DEN DEUTSCHEN UMWELTMINISTER JÜRGEN TRITTIN

Betreff: Deutscher Atomausstieg

Minister Jürgen Trittin
Bundesumweltministerium
Alexanderplatz 6
10178 Berlin

Straßburg 4. Juli 2001

Sehr geehrter Minister Trittin!

Wir begrüßen den deutschen Atomausstieg der sowohl für Deutschland als auch für die EU ein großer Fortschritt ist. Allerdings schreibt der Gesetzentwurf für die Revision des Atomgesetzes vor, dass das abgetrennte Plutonium aus der Wiederaufbereitung in Brennelementen zur kommerziellen Stromerzeugung verwendet werden muss.

Das bedeutet nicht nur, dass das deutsche Atomgesetz den Transport von verbrauchten Brennelementen zu den Wiederaufbereitungsanlagen in Cap De La Hague und Sellafield noch bis Juli 2005 erlaubt, - die Wiederaufbereitung selbst wird überhaupt nicht befristet - sondern auch, dass das Plutonium in Form von plutoniumhaltigem MOX-Brennstoff nach Deutschland zurückgebracht werden muss. Da Deutschland weder eine Wiederaufbereitungsanlage noch eine MOX-Fabrik betreibt, würde diese gesetzliche Regelung den Bevölkerungen anderer europäischer Staaten mit zusätzlichen Risiken aufbürden.

Wir möchten völlig klar stellen, dass dies nicht den Zielsetzungen grüner Politik in anderen EU-Mitgliedsstaaten, speziell Grossbritannien, Frankreich und Irland, entspricht, wo wir den Widerstand gegen die Wiederaufbereitung zu unserer höchsten politischen Priorität gemacht haben. Wenn Deutschland nun die Fortsetzung der Wiederaufbereitung gestattet und BNFL mit vollen Auftragsbüchern in der Verhandlung um die Betriebsgenehmigung für die MOX-Anlage in Sellafield unterstützt, würde dies einen Verrat an unseren gemeinsamen Umweltschutzzielen bedeuten. Die grünen in Frankreich und die Ministerin Voynet bekämpfen die Wiederaufbereitung als gefährlich und unwirtschaftlich und haben die Kapazitätserweiterung der MOX-Fabrik MELOX in Marcoule verhindert.

Wir möchten absolut klar stellen dass wir nicht gegen das Prinzip sind, dass Deutschland den Atommüll der deutschen Atomkraftwerke zurücknimmt. Dies ist natürlich eine der Grundlagen der Nachhaltigkeit und wir danken dir dafür, dass du das so deutlich gesagt hast. Aber warum willst du das Plutonium in Form von MOX-Brennstoff zurück haben? Die Rücknahme des in Sellafield abgetrennten Plutoniums der deutschen Stromerzeuger als MOX-Brennstoff ist hochgefährlich und dient nicht dem Umweltschutz.

Natürlich befürwortet niemand, dass in seiner Nachbarschaft Atommüll gelagert oder als Brennstoff verwendet wird. Dies verweist nur erneut auf den gesamten Irrsinn der Atomfalle aus der du einen Ausweg suchst und ist natürlich der Grund warum Deutschland aus der Atomkraft aussteigen muss.

Du verlangst von den deutschen Stromerzeuger den Nachweis von bindenden Verträgen zur Verarbeitung des gesamten Plutoniums zu MOX, ehe der verbleibende verbrauchte Brennstoff noch fünf Jahre lang nach Frankreich und Großbritannien transportiert werden darf. Du verlangst auch dass die Stromerzeuger Jahresberichte mit bindenden MOX-Produktionsverträgen und Lizenzen zum Einladen der MOX-Brennelemente in ihren Reaktoren vorlegen, zur Begründung der bis zum Sommer 2005 geplanten Transporte in ausländische Wiederaufbereitungsanlagen. Dabei erfüllen die Wiederaufbereitungsanlagen sowieso nicht die deutschen Bestimmungen, wie die von dir in Auftrag gegebene Studie gezeigt hat, so dass diese Vorschläge juristisch illegal wären.

Es wäre technisch möglich und im Sinne des Umweltschutzes sowie der Rüstungskontrolle am sinnvollsten, dass die deutschen Stromversorger ihr bereits vorhandenes Plutonium in Sellafield konditionieren und als Abfall verpacken lassen. Warum unterstützt Deutschland das MOX-Verfahren und nicht die Immobilisierung des Plutoniums, wie im Falle des russischen Waffenplutoniums, zusammen mit einer Konditionierungsstrategie für das schon in Sellafield lagernde Plutonium? Da gewinnen beide Seiten: Das Plutonium wird dem Weltmarkt entzogen und BNFL hat einen Ausgleich für die wegfallenden Altverträge mit den deutschen Stromversorgern. Diese Strategie würde verhindern dass BNFL die deutschen Stromversorger gerichtlich zur Wiederaufbereitung des schon nach Sellafield geschickten Atommülls zwingen könnte.

Es ist unglaublich, dass du dich während der Verhandlungen über den deutschen Atomausstieg auf einen Faustischen Pakt eingelassen und den Atomausstieg in Deutschland mit der Fortsetzung der Wiederaufbereitung und der MOX-Herstellung in Sellafield erkauft hast. Während British Nuclear Fuels Ltd (BNFL) unter Schlägen von allen Seiten in die Knie geht, besonders unter der japanischen Entscheidung die Verträge nach dem Skandal um die Fälschung der Sicherheitsdaten in Sellafield nicht zu verlängern, verlangen die deutschen grünen in deiner Person ausdrücklich dass der Atombrennstoff der nach Sellafield geliefert wird als MOX-Brennstoff zurückkommt. Damit reichst du ihnen den einzigen Rettungsring der BNFL mit ihrer jetzigen Strategie über Wasser hält.

Mit freundlichen Grüßen,

Nuala Ahern MEP Vizevorsitzende des Ausschusses des Europäischen Parlaments für Industrie, Handel, Forschung und Energie

Danielle Auroi. Vizepräsidentin der grünen Fraktion im europäischen Parlament.

Alexander de Roo. Vizevorsitzender des Umweltausschusses

Hiltrud Breyer. MEP (Grüne) Deutschland

Marianne Isler-Beguin. MEP (Grüne) Frankreich

Jean Lambert. MEP (Grüne) England

Caroline Lucas. MEP (Grüne) England

Patricia McKenna. MEP (Grüne) Ireland

Claude Turmes. MEP (Grüne) Luxemburg


 

AN OPEN LETTER TO JUERGEN TRITTIN GERMAN ENVIRONMENT MINISTER

Subject: German Nuclear Phase-out

Minister Juergen Trittin
Federal Minister of Environment, Nature Protection and Reactor Safety (BMU) Bundesumweltministerium Alexanderplatz 6
10178 Berlin Germany

Strasbourg 4 th July 2001

Dear Minister Trittin

It is very welcome that Germany is phasing out nuclear power which is a great step forward for both Germany and the EU. However the draft bill for the revision of the atomic law specifies that the separated plutonium recovered from reprocessing must be used as a nuclear fuel for the purposes of the commercial generation of electricity.

This would mean not only that Germany's atom law allows for the shipment of spent fuel to reprocessing plants in Cap La Hague and Sellafield until July 2005 - it does not put any deadline to the reprocessing as such - but also that plutonium must be returned to Germany in the form of plutonium bearing MOX fuel for use in reactors. Since Germany does neither operate a reprocessing plant nor a MOX fabrication facility, such a legal situation would put an additional risk burden on the populations of other European countries.

I want to make it very clear that this is not the policy of Greens in other Member States of the European Union and particularly in the UK, France and Ireland where Greens have made opposing reprocessing our highest political priority. If Germany were now to allow for continued reprocessing AND give BNFL the support on their economic case they are desperate to get in order to secure permission to open the Sellafield MOX plant, this would amount to the betrayal of the environmental concerns we all share as Greens. Greens in France including minister Voynet have targeted reprocessing as dangerous and uneconomic and have blocked the capacity increase of the MOX fabrication facility MELOX at Marcoule.

I want to make it absolutely clear that we do not oppose the principle that Germany takes back nuclear waste from German power plants. This is of course a fundamental plank of sustainability and you must be congratulated for stating this principle so clearly. But why do you want nuclear waste returned in the form of MOX fuel? To take back separated plutonium from German utilities at Sellafield as MOX fuel, which is highly dangerous, is not an environmentally safe option.

It is of course true that no-one wants to either store nuclear waste or see it used as a nuclear fuel near them which just points once again to the whole madness of the nuclear entrapment which you are seeking to escape from and of course is the reason why Germany needs to phase-out nuclear power.

You have informed power utilities in Germany you wanted "proof that they have firm contracts to process all separated plutonium into MOX before the remaining spent fuel in Germany may be shipped off to France and the U.K., in the five years before reprocessing of German spent fuel is legally banned". You also require that "utilities will provide an annual statement showing binding commercial MOX fabrication agreements, plus licenses for loading the MOX in their reactors, to validate their scheduled shipments of spent fuel to foreign reprocessing sites through mid-2005." However, the Sellafield and La Hague reprocessing plant do not conform to German legal requirements in any case - as shown in a study that you have commissioned yourself1 - so these proposals would, in fact, be technically illegal.

It would be technically possible, and on environmental and non-proliferation grounds most sensible, for German utilities to have their already separated plutonium conditioned and packaged as waste at Sellafield. 2 Why does Germany not support the plutonium immobilisation rather than MOX strategy for separated plutonium - as it does for Russian weapons plutonium - along with a conditioning strategy for spent fuel already in store at Sellafield? This is a win-win deal: it will remove plutonium from commerce and it will provide productive work for BNFL to replace its contracted reprocessing and MOX production agreements with German utilities. Such a strategy would avoid BNFL trying to legally pressurise German utilities to reprocess spent fuel already sent to Sellafield.

It is quite unbelievable that in the process of agreeing the German Nuclear phase-out you have embarked on a Faustian pact in which you have traded the German phase out in exchange for sustaining reprocessing and MOX production at Sellafield. Just when British Nuclear Fuels Ltd (BNFL) is reeling from blows on all sides, particularly from the Japanese decision not to renew contracts following the falsification of safety data at Sellafield, the German Greens in the person of yourself are specifying that nuclear fuel shipped to Sellafield from Germany must be returned as MOX fuel, thus handing them the only lifeline that BNFL under its current strategy can hang on to.

Best wishes

Nuala Ahern, MEP Vice Chair European Parliament Committee on Industry, Trade, Research and Energy.

Danielle Auroi, Vice President Green Group in the European Parliament.

Alexander de Roo, Vice Chair Environment Committee.

Hiltrud Breyer, Green MEP Germany.

Marianne Isler-Beguin, Green MEP France.

Jean Lambert, Green MEP England.

Caroline Lucas, Green MEP England.

Patricia McKenna, Green MEP Ireland.

Claude Turmes, Green MEP Luxembourg.